Tischgespräche und Totengräber

Beim Projekt „Museumslauscher“ entwickeln Neuntklässler der MNS Audioguide für das Büchnerhaus

Gruppenfoto mit Nicole Schlabach, Peter Brunner, Maria Bonifer (v.li.) sowie Juliane Spatz (5. v.li) . In der mittleren Reihe von rechts Anette Neumann von der Sparkassen-Stiftung Groß-Gerau, BüchnerFindetStatt-Vorsitzender Werner Schmidt und Martin Buhl. Inmitten der Schülerschar Deutschlehrerin Nina Drexler.
Die Neuntklässler während der Präsentation des Museumslauschers. An der Wand Juliane Spatz von hr2, am Tisch Büchnerhausleiter Peter Brunner

Munteres Stimmengewirr von Kindern und Erwachsenen am Familientisch, ein Ausrufer, der auf dem Marktplatz von Darmstadt einen steckbrieflich Gesuchten verkündet und laut geäußerte Gedanken eines Totengräbers. Einfallsreich und lebendig haben Schülerinnen und Schüler eines Deutschkurses der neunten Jahrgangsstufe der Martin-Niemöller-Schule (MNS) das facettenreiche Leben Georg Büchners hör- und erlebbar gemacht.  

In dem Projekt „Museumslauscher: Audioguides von Kindern und Jugendlichen für Kinder und Jugendliche“ von hr2-kultur/Literaturland Hessen und der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen haben die Jugendlichen aus der Riedstädter Gesamtschule einen Museumsführer für die Ohren durch die Räumlichkeiten des Büchnerhauses erstellt. Bei der offiziellen Präsentation des Audioguides war auch Büchnerhausleiter Peter Brunner voll des Lobes. „Es ist ein wunderbares Projekt und hervorragend umgesetzt worden. Es war so naheliegend, weil Georg Büchner so jung war. Und zugleich doch so erklärungsbedürftig“, sagte er mit Blick auf das komplexe Wirken Büchners und seine so weit zurückliegende Zeit. So habe Büchner, wenn er des Nachts an „Hanf und Laternen“ dachte, mitnichten kiffen, sondern Fürsten an Hanfstricken an Laternen aufknüpfen wollen. Auch Nicole Schlabach von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen staunte, wie gut die Jugendlichen in diesem sechsten Museumslauscher in Hessen die Welt Georg Büchners zum Leben erweckten.  

Die 18 Neuntklässler aus dem Deutschkurs von Lehrerin Nina Drexler bekamen erst vom Museumsleiter eine ausführliche Führung durchs Haus, bevor sie sich mit den beiden Mediencoachs und Radiojournalistinnen Juliane Spatz und Maria Bonifer von hr2  in insgesamt vier Projekttagen an die Ideenentwicklung,  ans Texte schreiben und  Aufnehmen begaben. Herausgekommen ist ein knapp 30minütiger Museumslauscher, der mit vielen pfiffigen Ideen so informativ wie spannend durch das Haus führt.  

„Kinder am Tisch – stumm wie ein Fisch.“ Solch strengen Erziehungsvorstellungen galten nicht im Hause Büchner mit ihren sechs Kindern, erfahren die Hörerinnen und Hörer im sogenannten Familienzimmer, wo an einem Esstisch an jedem Platz Mappen mit Informationen über die einzelnen Familienmitglieder zu finden sind. Welch freier Geist in der Familie herrschte, bei dem auch die Meinung der Kinder gefragt war, verdeutlichen die Jugendlichen mit einer kleinen Hörspielszene aus dem Jahr 1830. Da ist der älteste Sohn Georg 17 Jahre alt, Nesthäkchen Alexander gerade einmal drei Jahre.  

Anschaulich bringen die Jugendlichen das kurze und doch so komplexe Leben des vielseitig Begabten nahe, berichten von dem Naturwissenschaftler, Sozialrevolutionär und Dichter. „Oh wow – Büchner muss große Angst gehabt haben. Er wurde ja wie ein Terrorist gesucht“, kommentiert ein Schüler den Steckbrief Georg Büchners. Der wurde ausgestellt, nachdem die Verschwörung um die Flugschrift „Der Hessische Landbote“ aufgeflogen war und hängt an einer Wand der Dauerausstellung. Doch da die meisten Kinder und Jugendlichen die altertümliche Frakturschrift nicht lesen können, wird der Steckbrief vorgelesen – und dabei auch gleich die Angaben zur Körpergröße nach „neuen Hessischen Maß“ auf Meter und Zentimeter umgerechnet.  

Die Besuchenden des Büchnerhauses erfahren, was eine Botanisiertrommel, eine Krone oder eine Drahtfigur mit Georg zu tun haben. Sie können an einem kleinen Quiz teilnehmen und werden angeregt, selber einmal die Schiebetafeln mit den bekanntesten Zitaten Büchners auszuprobieren. Nicht zuletzt können sie einem Totengräber bei der Umbettung Georg Büchners zuhören und erfahren so, dass in Zürich viele zu der Zeit wie Georg an Typhus erkrankten, weil das Trinkwasser der Stadt verseucht war. Büchner starb daran, mit gerade einmal 23 Jahren.  

Auf die Frage des Schulleiters Martin Buhl an die Jugendlichen,  was sie aus dem Projekt mitgenommen haben, fasste es ein Schüler unter Zustimmung der anderen so zusammen: „Das man sich nicht alles sagen lassen muss und das es wichtig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden.“